Im alten Tibet gab sich ein weiser Mönch, namens Chu Ling, mit seinen Schülern zum Ufer des nahegelegenen Flusses.
Sich auf das Kiesbett niederlassend kramte er einen irdenen Krug aus seiner leinenen Schultertasche und hielt diesen in seiner linken Hand. Mit der Rechten suchte er sieben ebenmäßige Flusssteine, mit denen er den Krug gänzlich zu füllen vermochte.
Damit fertig, richtete er die Frage an seine Zuhörer, ob der Krug, den sie hier sehen würden, voll sei, was alle einstimmig bejahten.
Mit einem feinen Lächeln um die Mundwinkel nahm der Lehrer nun feinkörnigen Flusssand und schüttete diesen über die Steine. Natürlich floss dieser in die Lücken zwischen die größeren Brocken.
Den Krug schüttelnd fuhr Chu Ling solange damit fort, bis der feine Kies den Rand des Gefäßes erreichte.
Abermals fragte er seine Schüler, ob das Gefäß nun voll sei. Da es jetzt eindeutig und die Hohlräume gefüllt schienen, antworteten seine Schüler mit einem einmündigem „ja“.
Chu Ling aber schmunzelte erneut und goss Wasser aus dem Fluss in den Tonkrug, das die letzten Lücken schloss.
Seht Ihr, meine Lieben, dies gleicht dem Leben.
Der Krug seit Ihr, Ihr füllt ihn mit den wesentlichen Dingen des Lebens, die da sind Weisheit, Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit, Genügsamkeit, Toleranz und Freiheit. Diese sieben Kardinaltugenden sollt ihr als erstes euch selbst angedeihen lassen, dann eurer Familie, euren Freunden und zuletzt euren Mitmenschen.
Der Flusssand symbolisiert die weniger wichtigen Dinge im Leben, wie Beruf, soziale Stellung, Einfluss, Wohlstand und Ansehen.
Das Wasser schließlich steht für die unwesentlichen Dinge im Leben wie Vergnügungen, Spielereien, Genusssucht, Konsum, Statussymbole und Äußerlichkeiten.
Ihr aber lasst Euch Sand in die Augen streuen und dadurch blenden. Füllt ihr daher euer Inneres zuerst mit Sand oder gar mit Wasser, ist für die wichtigen Dinge im Leben der Platz verloren.
Geht Ihr aber so vor, wie ich es tat, kommt das Wichtigste zuerst und es bleibt für anderes dennoch genügend Raum.