Der Märchenerzähler von Saris

Müde und erschöpft von der langen Reise begab sich unser Märchenerzähler zum Dorfbrunnen von Saris, setzte sich erleichtert auf ein altes Holzfass, wischte sich den Staub von Mund und Augenbrauen und trank das erfrischende Wasser, das ihm von einem der wartenden Knaben gereicht wurde. 

Langsam und mit Bedacht leerte er den Becher, denn zu kostbar war das Wasser, als dass auch nur ein Tropfen vergeudet würde. 

„Dies Wasser, ihr lieben Kinder ist rein und klar wie die Seele eines Neugeborenen. Es ist tausendmal kostbarer als Gold und Edelsteine. Es ist eins der vier Elemente aus denen Gott die Erde schuf.“

Verwundert und etwas ungläubig schauten ihn die Kinder an, was den Märchenerzähler dazu veranlasste zu fragen: „Wisst ihr, wie es damals vor 12 mal 10 Jahren dem Händler Farut erging?“ 

 „Nein? Nun, ich will es Euch erzählen.“

Farut, ein geiziger Nörgler, der mit allem Handel trieb was Geld brachte, hatte im Laufe seines Lebens soviel Gold und Silber gehortet, dass er damit vier Kamele hätte beladen können. Doch geblendet von Geltungssucht und Habgier war er solange nicht zufrieden, bis er der Reichste von allen sei. 

Da hörte er eines Tages von einem Land im Süden wo jeder von goldenen Tellern aß, ja sogar die Kamele aus goldenen Eimern tranken. 

Dort, ja dort musste er hin. Neiderfüllt ließ er all seine Schätze sowie Proviant auf Kamele verladen und begab sich in Richtung Süden. 

Die Wochen vergingen, die Reise wurde immer beschwerlicher und die müden Kamele mussten ihr Letztes geben. Die Gegend wandelte sich in eine karge Öde aus Sand und Fels. Bei Tage brannte die Sonne wie in einem Glutofen und bei Nacht ließ die Kälte die Finger erstarren. Gut gemeinte Ratschläge, lieber wieder umzukehren, ignorierte er. 

Er verzehrte sich nach diesem Land aus Gold, Diamanten und Smaragden, die ihn jede Nacht im Traum erschienen und ihn nicht mehr losließen. 

Nichts, aber auch nichts erschien ihm erstrebenswerter als Reichtum. 

Eines Morgens jedoch musste er feststellen, dass er mit dieser Ansicht allein war, seine Begleiter hatten ihn in der Nacht heimlich verlassen. 

Zornig, mit Verwünschungen auf den Lippen trieb er jetzt seine Packtiere umso härter an. Der letzte Tropfen Wasser war getrunken und drei Tiere verendeten, so dass er seine Habe auf die verbleibenden Kamele umladen musste. 

So vergingen weitere Tage und er glaubte sich schon seinem Ende nahe, als er ein paar Palmen erspähte. 

Tatsächlich, eine Wasserstelle, keine Luftspiegelung. Mühselig schleppte er sich die letzten Meter dorthin und wollte gerade seinen Kopf in das frische Nass tauchen, als ihm ein Zwerg mit erhobenem Säbel den Weg versperrte, um ihn am Trinken zu hindern.

„Bitte“, flehte Farut, „gib mir zu trinken“. 

„Was gibst du mir dafür?“, erwiderte der Gnom. 

„Eins meiner Kamele, beladen mit Gold, soll dir gehören.“ 

„Zu wenig“ entgegnete der Hüter des Wassers, „du hast drei Kamele wegen deiner Habgier in den Tod getrieben, dafür fordere ich alle verbleibenden Tiere“. 

Schier wahnsinnig vor Durst willigte der Händler ein und durfte sich endlich am klaren Wasser laben. 

Als er etwas erfrischt schien, sprach der Zwerg zu ihm: „Das was du suchst liegt drei Tagesmärsche von hier gen Mittag. Du darfst dich hier getrost ausruhen, deine Wasserschläuche füllen und gestärkt aufbrechen. Besinnst du dich aber und kehrst um, so gebe ich dir ein mit Gold beladenes Kamel zurück. 

Stur und versessen nach Reichtum wählte der Kaufmann aber die erste Möglichkeit und suchte die goldene Stadt.

Wie ich hörte hat er sein Ziel tatsächlich gefunden, doch erreicht hat er es nicht, denn anstelle von unermesslichem Reichtum putzt er jetzt als Bettler die goldenen Eimer der Kamele, um sich seine Tagesration an Wasser und Nahrung zu verdienen.

Nun wisst ihr, liebe Kinder, wie wertvoll Wasser und wie unbedeutend Reichtum dagegen ist.