Es muss sich im 17. Jahrhundert zugetragen haben, als zwei Zimmermannsleute, die Brüder Peter und Frank Martens nach Bodenmais kamen. In der Dorfschenke zum silbernen Krug kehrten sie ein und gesellten sich zu den Stammgästen, in der Hoffnung Arbeit zu finden, wie es auf der Walz üblich war.
Nach einigen aufwärmenden Humpen Bier ließen sich die als kantig und ungehobelt verschrienen Niederbayern auf ein Gespräch mit den Wandergesellen ein. So kam die Rede auf den Silberberg, der neben Silber über sechzig unterschiedliche Mineralien und Edelsteine beherbergt.
Wenn es für die hart arbeitenden Hauer eigentlich nichts gab worauf sie stolz sein konnten, so waren sie es wenigstens auf ihren Berg, der zumindest für ihren Unterhalt sorgte.
So prahlten sie gerne recht überschwänglich mit den kostbaren Funden, denn etwas anderes zum Prahlen hatten sie nicht. Und wenn dann noch so zwei Preußen daherkamen, gemeint waren die Gebrüder Martens, schien es eine gefundene Abwechslung zu sein, die beiden mal so richtig abzuwatschen, sinnbildlich gesprochen.
Der Wirt, Xaver Niederhuber, ein pfiffiges Bürschchen, wusste sogar von goldhaltigem Erz zu berichten, das erst kürzlich in einem der Gebirgsbäche gefunden wurde. So groß wie Taubeneier seinen die Brocken teilweise. Zum vermeintlichen Beweis zog Franz ein goldglänzendes Stück schweren Metalls aus seinem Wams und zeigte es von der Ferne. Aus der Hand zu geben traute er sich seinen kostbaren Fund nicht.
Vom Goldfieber gepackt fragten die beide Wanderer nach, wo denn die Fundstellen seien, ohne auf den verschmitzten Augenausdruck der Stammgäste zu achten. Sie waren auch gar nicht verwundert, als man ihnen gleich bereitwillig Auskunft gab. Aber man warnte sie eindringlich vor den Gefahren im Wald und vor allem vor dem Rauhwuggel, der dort oben hausen sollte. Dieses Wesen, halb Goas, also Ziege und halb Mensch hätte schon mehrere Schafe getötet und Jäger fast zu Tode erschreckt. Manche seien mit zerfetzten Kleidern gerade noch so dem blutrünstigen Unhold entkommen. Ums Leben sei aber noch keiner gekommen, warf der Erzähler gleich beruhigend ein.
So gab eine finstere Geschichte die andere bis Mitternacht längst verstrichen war und Ruhe einkehrte in dem kleinen Dorf. Jedoch nicht in den Köpfen von Peter und Frank, deren Gedanken um herrliche Goldfunde kreisten, um Reichtum und ein sorgenloses Leben.
Als dann der Morgen graute stand ihr Plan fest, sie gingen zum örtlichen Kramer und kauften sich eine Schürfausrüstung und reichlich Proviant, so dass von ihren Ersparnissen kaum noch etwas übrig blieb.
Zielstrebig suchten sie sich einen Weg durch das unwegsame Gelände hoch hinauf in die Berge, wo sie am dritten Tag an einen verwunschenen Bach kamen, der wild aus den Felsen sprang. Hier gedachten sie zu lagern und ihr Glück zu versuchen.
Mühselig war die Arbeit und erst nach einigen enttäuschenden Anläufen fanden sie tatsächlich Rosenquarz, Turmalin, Citrin und andere Halbedelsteine. Und man glaubt es kaum, auch goldfunkelndes Erz fanden sie, genau solche Stücke, wie es der Wirt im Dorf gezeigt hatte.
Jetzt gab es kein Halten mehr, keine Müdigkeit, fast Tag und Nacht schürften und schufteten sie, bis sie einen ansehnlichen Beutel mit funkelnden Steinen beisammen hatten.
Da ihnen aber der Proviant ausging, kehrten sie zurück ins Dorf, um ihren Fund in bare Münze zu wechseln und mit frischer Verpflegung erneut zum Schürfort zurückzukehren.
In der Bank jedoch lachte man sie mitleidig aus ob der goldglänzenden Steine. Das sei doch nur wertloses Katzengold, nämlich Pyrit. Allerdings gäbe es für die anderen Edelsteine immerhin 2 Taler.
Man kann sich lebhaft vorstellen, wie groß die Enttäuschung der beiden Zimmermannsleute war und vor allem die Wut auf so eine Lügengeschichte hereingefallen zu sein. Zwei Taler, das war ja nicht mal ein Fünftel von dem, was sie für die Schürfausrüstung ausgegeben hatten.
Aber was sollten sie machen, sie waren die gefoppten. Mit den zwei Talern kauften sie Brot, Wurst, Schmalz, Bohnen und ein Stück Trockenfleisch, denn sie mussten ja noch mal zurück zu ihrem Lager und die Ausrüstung holen, die sie dort zurückgelassen hatten. Vielleicht würden sie ja noch mehr Edelsteine finden, mit deren Erlös sie zumindest ihren Verlust wieder ausgleichen könnten.
Nachdenklich begaben sie sich wieder in das unwegsame Dickicht des Bayerischen Waldes, in Richtung Lager.
Ein ungutes Gefühl beschlich sie dabei, als ob sie beobachtet würden. Auch knackte das Unterholz von Zeit zu Zeit und einige Male war ein ziehendes leises Geräusch zu vernehmen, als ob etwas an Zweigen streifen würde. Dann war es wieder still. Es war wohl ein Wild, Rotwild gab es ja genügend in diesen Wäldern.
Als sie in der Dämmerung ihr Lager erreichten und gerade mit ihrem Abendmahl beginnen wollten, stand plötzlich wie aus dem nichts, eine furchterregende Gestalt vor ihnen. Feurige Augen funkelten sie aus tiefliegenden Augen an. Die Wangen hohl wie bei einem Totenkopf, so als würde der Leibhaftige vor ihnen stehen. Verstärkt wurde der Eindruck dadurch, dass die dürre Erscheinung gänzlich in Felle gehüllt war und einen haarig- zotteligen Anblick bot.
Die beiden Martens erstarten vor Schreck, konnten weder einen Laut von sich geben, noch einen Finger rühren, geschweige denn die Flucht ergreifen, denn Ihre Gedanken kreisten hysterisch um die Schreckenstaten des blutrünstigen Rauhwuggel, von dem man im Wirtshaus berichtet hatte und der nun vor ihnen lauerte.
Sie hatten sich schon mit ihrem Schicksal abgefunden als eine weiche und sehr freundliche Stimme sie um etwas Brot und Speck bat. Der kalte Angstschweiß rann den Brüdern immer noch von der Stirn, als der seltsame Fremde seine Bitte wiederholte und die beiden wie aus einem Albtraum weckte.
Der Einsiedler war alles andere als ein böser Waldgeist oder ein Ungeheuer, wenn auch seltsam und furchteinflößend anzusehen.
Hannes Hausruckner war sein Name, wie sich herausstellte. Man hatte ihn aus dem Dorf gejagt, weil er sich für die Wildtiere einsetzte und ständig versuchte die Jäger vom blindwütigen Töten der Tiere abzuhalten.
Jetzt als Rauwuggel gelang ihm dies allerdings weit besser, weshalb er den Wald auch nicht mehr verlassen wollte. Er lebte in Eintracht mit der Natur und ihren Tieren. Nur wenn der Hunger zu groß war, dann hatte er sich schon mal ein Schaf gestohlen, um es zu schlachten. Die Überreste hatte er dann so platziert, dass es aussah, als hätte eine Bestie gewütet.
Die Schauergeschichten im Dorf basierten auf diesem Hintergrund und waren also keine bloße Erfindung. Auch die Zimmerleute berichteten über ihre Erlebnisse mit den Dorfbewohnern und wie man sie reingelegt hatte.
Dankbar für die Mahlzeit , die er mit den Brüder Martens teilen durfte verriet er ihnen eine Stelle im Fluss, wo es viele Flußperlmuscheln gab.
Man muss wissen, als die Gewässer noch sauber waren, gab es an versteckten Stellen solche Muscheln reichlich, in denen man auch manchmal Perlen finden konnte. Hannes kannte so eine Fundstelle, wo die Wahrscheinlichkeit, dass die Muscheln Perlen bildeten recht groß war. Er selbst könne damit ja nichts mehr anfangen, wo er doch nicht mehr in die so genannte Zivilisation zurückkehren wollte.
Wenn auch leicht skeptisch folgten die Brüder der Wegbeschreibung des Alten und entdeckten tatsächlich eine versteckte Sandbank mit unzähligen Flussperlmuscheln. Sie machte sich sogleich an die Arbeit und öffneten eine nach der anderen. Sie trauten ihren Augen nicht, als fast jede vierte Muschel eine Perle enthielt.
Aber diesmal übermannte sie nicht die Gier, sie dachten an die Worte des Einsiedlers, dass die Natur in einem Gleichgewicht stehen müsse und man mit ihr keinen Raubbau treiben dürfe. Sie gaben sich mit einem kleinen Beutel zufrieden, packten ihre Sachen und kehrten in die Zivilisation zurück, aber nicht nach Bodenmais, wo man durch den Verkauf der Perlen sicherlich ein gieriges Fieber nach Perlen auslösen würde. In Regensburg setzten sie ihren Fund in 120 Taler um, einen Betrag, der es ihnen ermöglichte eine eigene Zimmerei zu gründen, was sie auch taten, jedoch nicht im tiefsten Niederbayern, wo sie immer als Zugereiste gelten würden, sondern nahe ihrer Heimatstadt Fulda.