Der Wucherer

Nicht weit entfernt von der Bismarckallee in einer schmalen Seitenstraße betrieb er seinen akkurat geordneten Laden, wo er im Parterre vielerlei Waren anbot. 

Vom Brot bis zum Hufnagel war alles zu erstehen. Es war das einzige Geschäft in diesem Viertel mit einer derartigen Auswahl und obwohl die Zeiten schlecht waren, zeigten seine Auslagen keinerlei Spuren einer Knappheit. 

Diesen Service ließ sich der Wucherer allerdings mit einem saftigen Aufschlag honorieren. 

Wenn es nirgendwo anders Eier oder Brot mehr gab, bei ihm fand man reichlich davon, wenn auch zum doppelten oder dreifachen Preis. 

So kamen in den Kriegsjahren viele Hungernde zu ihm, um noch einen Kanten Brot für die Familie zu erstehen. Als Bezahlung akzeptierte der Händler neben Geld am liebsten Gold, Silber und Schmuck, für die er einen denkbar schlechten Umwechselkurs anrechnete. 

Wenn er Schuldscheine gewährte, erhöhte sich die Schuldenlast für jeden Tag des Nichtzurückzahlens um ein weiteres Prozent an Zinsen. 

Und wer konnte in diesen Tagen schon zahlen? 

Diejenigen, die zuerst noch mit Gold und Silber einen Gegenwert aufbrachten, mussten nun ebenfalls Schuldscheine unterschreiben, um nicht hungern zu müssen. 

Der Krieg und die Lebensmittelknappheit dauerten an und so mancher Schuldschein hatte schon seinen 300 fachen Wert erreicht. Die Scheine stapelten sich in dem alten eisernen Tresor unter der Stiege, neben Diamanten, goldenen Uhren und Perlenketten. 

Die Geschäfte liefen blendend, die Preise stiegen stetig, was dem Ladeninhaber sichtlich Freude bereitete. Und es waren nicht nur die Schuldscheine sondern mittlerweile auch Urkunden von Besitzübertragungen sowie Grundbucheinträge. 

Die armen Menschen konnten bitten und klagen, er gewährte keinen Aufschub, keine Gnade, egal ob sie krank und ausgezehrt waren oder in ungeheizten Wohnungen frieren mussten. Wer zum Termin nicht zahlen konnte, dem wurde alles gepfändet was er noch besaß, selbst wenn es das Haus war und der Schuldner auf der Straße schlafen musste, es ließ den Wucherer vollkommen kalt. Barmherzigkeit und Mitleid waren ihm völlig fremd. 

Er hatte selbst genügend Probleme, wie er fand, die Waren heranzuschaffen, die Einnahmen richtig anzulegen und vor Diebesgesindel zu schützen. 

Tag für Tag und Nacht für Nacht zermarterte er sich seinen Kopf, wie er seine Schätze am besten verwahren könne. Er konnte kaum noch schlafen, aus lauter Angst, man könne ihm sein ach so geliebtes Hab und Gut wieder entreißen. Er war nur noch von dem Gedanken besessen, wie er seinen Reichtum mehren und vor allem sichern könne. 

So zerfraßen ihn die Sorgen um seine materiellen Güter. Immer unruhiger und mürrischer wachte er auf und umso unnachgiebiger gegenüber seinen Schuldnern zeigte er sich. 

Die Magensäure stieg ihm ständig die Gurgel hinauf und verbrannte den Schlund. Der Magen schmerzte, kein Essen schmeckte ihm mehr und das Wenige, das er zu sich nahm, verursachte in seinem Gedärm die reinsten Höllenqualen. 

Stechende Kopfschmerzen peinigten ihn mittlerweile täglich. Der Schweiß rann ihm aus allen Poren und das Atmen fiel ihm zunehmend schwerer. 

Immer größere Summen an Geld und Gold musste er aufwenden, um seine Ärzte und die verschriebenen Arzneien zu bezahlen, die aber im Grunde keine Abhilfe schaffen konnten. 

So schrumpfte sein Vermögen dahin, denn auch die Ärzte zeigten kein Erbarmen. 

Wenn er noch vorher ein gewisses Ansehen durch seinen Reichtum zu verbuchen hatte, so wurde er jetzt gemieden und verachtet. Was blieb ihm jetzt noch außer den Schmerzen und der Schmach? 

Nichts, nur der Wunsch bald zu Sterben, wo man ihm doch sein Schönstes, sein Geld, genommen hatte. 

Drum bat er Gott um Erlösung. 

Doch Gott ließ ihn nicht sterben, noch nicht, denn er sollte am eigenen Leibe spüren, wie hart es ist, arm zu sein, so wie diejenigen, denen er den letzten Heller aus der Tasche gezogen hatte, ohne Erbarmen und ohne Rücksicht auf deren Familie und Gesundheit. 

Es folgten für den Wucherer noch einige Jahre der Qual und des Nachdenkens, die er bettelnd unter den Brücken und in den Hauseingängen verbrachte, bis ihn endlich der Tod erlöste. 

Verlassen und würdelos verscharrte man in irgendwo abseits, ohne auch nur eine Träne wegen ihm zu vergießen.